Sonntag, 1. November 2009

In der Toilette des Café Bazar, Salzburg, Österreich



Im Sanitärbereich ist heute kaum mehr mit Revolutionen zu rechnen. Daher benutze ich öffentliche Toiletten generell nur ungern zu einem anderen Zweck, als meine Hände zu waschen. Umso überraschter war ich unlängst, als mir auf der Toilette des Cafe Bazar in Salzburg folgende Innovation begegnete: Die Metallbox der Firma Hagleitner, die in der Kabine an der Wand angebracht war, beherbergte diskret versteckt das Toilettenpapier, das nach unten, im sonst nur aus Hotelzimmern üblichen Habitus, in ein Dreieck gefaltet war. Damit aber nicht genug. Als ich an der Papierlitze zog, erschloss sich mir im Moment noch ein Mechanismus von solch vollendeter technischer Reife, dass ich innehielt. Während sich das Papier im Inneren des Apparats entrollte, war ein geöltes Klicken zu vernehmen, das auf einen geschlossenen Kettenkreislauf deutete. Dieser gab nur soviel Papier frei, wie Kraft auf mein Ziehen verwendet wurde. Zugleich war die Papierperforierung so delikat, dass die leiseste Seitwärtsbewegung den Abriss zur Folge hatte.

Das war aber alles nichts gegen das, was noch kommen sollte. Als ich die Kabine verliess, um mir wie gew
öhnlich die Hände zu waschen, überraschte mich nicht nur ein unerwartet schnell fliessendes warmes Wasser, sondern auch, neben dem Waschbecken, ein mysteriöses Kästlein, das mich sofort an eine Szene aus meinem Lieblingsfilm "Dune" erinnerte: Kyle MacLachlan als Paul Atreidis muss seine Hand unter Aufsicht von Reverend Mother Mohiam von den Bene Gesserit in die vielzitierte "Pain Box" halten, um seine Tauglichkeit unter Beweis zu stellen. Die Prüfung besteht darin, den zu erwartenden körperlichen Schmerz, der, so deutet es die Szene des Films mit kleinen, aus dem Kästlein aufsteigenden Rauchwolken an, wohl aus Verbrennnungen besteht, allein Kraft seiner Gedanken zu bewältigen und so am Ende auch zu verhindern, dass es überhaupt zu einer Verletzung kommt. Das Mantra, mit dem Paul Atreides seine Geisteskraft beschwört, hatte ich in meinem Leben das letzte Mal 1999 zum Einsatz gebracht, als ich mich am ersten Abend der Diskussionsrunde "Tristesse Royale" erschöpft in mein Zimmer im Hotel Adlon zurückzog:

I must not fear.
Fear is the mind-killer.
Fear is the little-death that brings total obliteration.
I will face my fear.
I will permit it to pass over me and through me.
And when it has gone past I will turn the inner eye to see its path.
Where the fear has gone there will be nothing.
Only I will remain.

Nun aber hing da dieses Kästlein, und man musste, anders als Atreides in "Dune", die Hände vertikal von oben in die Box halten, um seine Furcht zu überwinden. Was mich sofort iritierte, war das Wort Airblade, also Luftklinge, womit am Ende nur angedeutet werden sein konnte, dass es sich hier um die moderne Variante einer archaischen Handguillotine handele. Die Konnotation mit der Welt des Luftverkehrs respektive des Fliegens wurde noch durch die Farbgebung des Metallkästleins verstärkt, das in Grau mit seinen gelben Bogenakzenten an einen diskret hinter den Passagieren verschwindenden Ledersitz der Lufthansa im neuen sogenannten Europakomfort erinnerte.


Und wahrhaftig, beim vorsichtigen Herantasten an den Luftschlund schaltete sich punktgenau eine Art Heissluftwand ein, die in der Tat die gefühlte Form eines schmalen Brettes bzw. einer Klinge hatte. Wie, als ob man durch die Regenwand eines Wasserfalls in das Innere einer dahinter verborgenen Höhle gelangt, befanden sich meine Finger nach dem Aufjaulen des Jetstreams bereits hinter dem Luftvorhang. Eine Kraft von der enormen Windgewalt einer Schubumkehr trocknete meine Hände im Nu und ich kehrte erstaunt in den Gastraum zurück, um dampfende Frittatensuppe zu bestellen, gefolgt von einem kleinen Braunen.

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